Lauftagebuch

Noch eine Woche bis zum HASPA Marathon 2018

Spätestens seitdem ich mich beim HAJ Marathon in Hannover mit meiner neuen Bestzeit selbst überrascht habe, steht eigentlich außer Frage, dass ich in bestechender Form bin. Aber verwundert das? Jede einzelne Einheit meines Trainingsplans habe ich in den letzten dreieinhalb Monaten minutiös abgearbeitet, jede Zeit- und Distanzvorgabe eingehalten oder sogar übertroffen. Und das, obwohl der Trainingsplan, den ich verfolge, für einen deutlich schnelleren Marathon ausgelegt ist als geplant. Noch nie habe ich so viel Schweiß und Zeit in die Vorbereitung für einen Marathon gesteckt wie dieses Mal. Und dennoch: Die Zweifel waren immer da. Und seit Sonntag so richtig.

Es war der letzte lange Lauf, der auf dem Programm stand. Mit 32 km Länge nicht der längste, dafür aber der schnellste. Flotte 70 Minuten, ungefähr im geplanten Renntempo, danach eine Temposteigerung, schließlich eine zweite Steigerung. Vorgestellt hatte ich mir, dass ich mir mit diesem Lauf das letzte Selbstvertrauen hole, mir zeige, dass selbst das hohe Tempo am Ende des Laufes kein Problem ist. Schließlich hatte ich in einigen langen Läufen bereits eine Endbeschleunigung erprobt. Außerdem wollte ich ihn nutzen, um meine Gels und Gummis für den anstehenden Wettkampf zu testen. Bisher hatte ich sie nur beim Halbmarathon angetestet, aber nie auf längeren Distanzen.

Spontan entschied ich mich dann doch dagegen. Vielleicht, um mir zu beweisen, dass ich es auch so packe. Also so wie immer: Ohne Frühstück, ohne Gels, nur 500 ml Wasser. Die ersten 70 Minuten liefen noch sehr gut – mit Ausnahme vielleicht des ersten Kilometers, auf dem es noch nicht so richtig rollte. Meist war ich etwas schneller unterwegs als vorgegeben. Die Anstrengung war in einem Bereich, der gut auszuhalten war, genau so, dass ich jederzeit das Gefühl hatte, noch etwas drauflegen zu können. Ich hatte Muße, den morgendlichen Wald zu genießen. Etwa zum Ende der 70 Minuten merkte ich, dass ich mich mehr und mehr anstrengen muss, um das Tempo noch gehen zu können. So halbwegs gelang mir das noch bis exakt zu dem Punkt, an dem ich mir die zweite Verschärfung vorgenommen hatte. Dummerweise war mir beim Kopieren des Trainingsplans die Angabe abhanden gekommen, wodurch ich raten musste, wann diese kommen sollte. Ich hatte sie auf Kilometer 24 gelegt. Aber bereits in diesem Moment war ich so drüber, dass ich kurz stehen blieb, um in Ruhe zu trinken und zu verschnaufen.

Ich brauche nicht zu erwähnen, dass ich die letzten 8 km nicht noch schneller lief. Ich versuchte es nicht einmal. Immerhin konnte ich das Renntempo noch ein kurzes Stück halten, bis ich Zug um Zug langsamer wurde. Gegen Ende war ich nur noch im Jogging-Tempo unterwegs, anders ging es nicht mehr. Ich hatte einen veritablen Einbruch erlitten. Der Einzige überhaupt, den ich in der Vorbereitung hatte. Einfach ein schöner Kacklauf. Und damit genau das Gegenteil davon erreicht, was ich mir erhofft hatte.

Mit etwas Abstand gesehen, lässt sich Vieles relativieren. Die Erholungszeit nach dem Halbmarathon war nun einmal sehr kurz und nüchtern und ohne jegliche Kohlenhydratzufuhr war der Einbruch bei dem Tempo vorprogrammiert. Was auf den langsamen langen Läufen gut funktioniert hat, konnte bei dem schnellen Tempo nicht aufgehen. Um ausreichend Energie aus der Fettverbrennung zu ziehen, war ich einfach zu schnell unterwegs. Zudem scheint es so zu sein, dass ich nicht nur die Angaben zum Tempowechsel beim Kopieren des Trainingsplans verschlampt habe.  Auch die Distanz war bei der späteren Kontrolle des Originals 10 km kürzer! Gewundert hatte mich dieser ungewöhnlich harte Lauf zwei Wochen vor dem Marathon ohnehin. Aber wer widerspricht schon seinem Trainingsplan? Der ist ja schließlich Gesetz! Mindestens.

Trotzdem kann ich nicht leugnen, dass mich der Lauf eingeschüchtert hat. Es heißt, ein Marathon habe die Macht, dich zu demütigen. Diese Erfahrung habe ich bereits gemacht und verzichte gerne darauf, sie zu wiederholen. Ohne Schmerzen werde ich nicht davonkommen, der Illusion gebe ich mich gar nicht erst hin. Um es mit Peter Greif zu sagen:

„Quälen musst du Dich immer. du kannst dir ruhig abschminken, jemals locker einen neuen Hausrekord zu erzielen. du musst, wenn du Erfolg haben willst, immer an der Grenze deiner Leistungsfähigkeit laufen. Wenn diese steigt, wirst du nur schneller, der Schmerz aber nie kleiner.“

Schmerzen sind ok, damit kann ich umgehen. Aber besser vorbereitet denn je, hoffe ich diesmal zumindest darauf, mir das demütigende Gefühl,  nur noch in besserem Walking-Tempo vorwärts zu kommen, weil der Körper aller Kohlenhydrat-Reserven beraubt unentwegt aufschreit und jeder Schritt unendliche Überwindung kostet, zu ersparen. Nur ist die Angst vor dem Mann mit dem Hammer seit Sonntag wieder zurück.

Passiert ist freilich noch gar nichts und die Chancen auf ein gutes Ende, sie stehen nicht schlecht. Zuversicht ziehe ich daraus, dass ich am 29. April weder nüchtern, noch ohne Verpflegung laufen werde und um meine gute Form weiß. Die leidvolle Begegnung mit dem Hammer-Mann ist nicht unvermeidlich, auch das weiß ich und ich halte mich daher an Haruki Murakami:

Schmerz ist unvermeidlich. Leiden ist optional.

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