Lauftagebuch

Zwischen Hoffen und Bangen

In den letzten Wochen habe ich oft an mir gezweifelt. Wenn ich von einem Lauf zurück gekommen bin, hätte ich die Laufschuhe ein ums andere Mal in die Ecke feuern können. So viele eher schlechte Läufe, so oft hinter den Vorgaben, so oft musste ich mich quälen. Mit jedem dieser miesen Läufe nahm meine Motivation ab, schwanden meine Zuversicht und der Glaube an das Erreichen meines selbst gesteckten Ziels.

So groß die Verärgerung über mich selbst, so groß die Enttäuschung, so schnell flüchtete ich mich in Hoffnung auf Besserung. So erhielt ich mir die Motivation, meinem Trainingsplan weiter zu folgen und die Rückschläge zu verdrängen. In einem meiner absoluten Lieblingsfilme heißt es: “Hoffnung ist eine gute Sache. Vielleicht sogar die Beste. Und gute Dinge können nicht sterben.” Und wenn doch, dann zuletzt.

Hoffnung, so verstehe ich die Aussage von Andy, der zu unrecht inhaftierten Hauptfigur des Films, lässt uns weitermachen, uns erdulden, ausharren. Sie treibt uns an, aus ihr ziehen wir Motivation. Sie ist es, die man uns nicht nehmen kann, egal, wie schlimm die Umstände sind. Sie hilft uns auszuhalten, was sonst nicht auszuhalten wäre. Würden wir ohne Hoffnung nicht jede Bemühung einstellen?

Nach dem letzten längeren Lauf zwei Wochen vor dem Start des Marathons in Dresden traf ich die spontan die Aussage, nicht in Dresden starten zu wollen. Dabei stand nicht ernsthaft ein Verzicht zur Debatte. Dafür hatte ich mich zu lange durch das Training gemüht. Ich war nur die elende Quälerei satt und wollte in diesem Moment der Enttäuschung nicht an weitere Qualen denken müssen.

Ich hatte so viel Hoffnung in diesen letzten längeren Lauf gelegt, gehofft, mir damit mein Selbstvertrauen zurückzuholen und die letzten Eindrücke vergessen zu machen. Der Lauf war schneller angelegt als mein Wettkampftempo und sah noch zwei Tempoverschärfungen zu späteren Zeitpunkten vor. Doch schon kurz nach der Ersten ging mir nach ungefähr 20 km die Energie aus. Ich wurde immer langsamer und quälte mich nur noch bis nach Hause. Statt Selbstvertrauen holte ich mir eine blutige Nase.

Hoffnung ist eben auch ein trügerisches Biest und Mutter der Enttäuschung. Red, zweiter Hauptdarsteller des Films, widerspricht daher seinem besten Freund in einer der Schlüsselszenen des Films: “Hoffnung ist sehr gefährlich. Hoffnung kann einen Mann in den Wahnsinn treiben. […] Am Besten du vergisst das nie.”.

Die beiden sitzen im Gefängnis, Andy unschuldig. Andy verliert die Hoffnung nicht. Er harrt jahrelang aus, kratzt sich millimeterweise ein Loch in die Wand seiner Zelle und wartet auf die Gelegenheit zur Flucht. Durch ein Abwasserrohr voller Fäkalien kriecht er in die Freiheit.

Könnte eine schöne Metapher sein. Der Weg zum Erfolg führt durch ein Rohr voller Scheiße.

Die Hoffnung habe ich nicht fahren lassen. Ich hoffe sogar mehr denn je. Zunächst mal deshalb, weil ich mit dem letzten Lauf über 20 km endlich wieder das Gefühl bekomme habe, da geht was. So schnell und leicht zu laufen kannte ich fast gar nicht mehr. Dann hoffe ich darauf, dass das von mir auf den letzten Drücker bestellte Gel von Maurten wirklich so anschlägt, wie es alle versprechen. Klingt fast zu gut. Aber momentan will ich einfach glauben. Hauptsache, es kommt überhaupt noch an. Denn wegen Lieferschwierigkeiten wird mir das Zeug direkt ins Hotel nachgesendet. Hoffentlich! Wo wir wieder beim Hoffen sind.

Schließlich hoffe ich darauf, dass mich das Lazarett zuhause nicht noch im letzten Moment ansteckt. Kind 4 keucht sich seit einigen Stunden die Seele aus dem Leib, während dessen Mutter undefinierte Viren mit sich herumträgt, die für regen Betrieb auf dem Klo sorgen. So gut es geht, versuche ich mich fern zu halten und hoffe, verschont zu werden. Mir genügt schon der Schwindel, der mich seit dem Besuch im Legoland in der letzten Woche befallen hat und nicht verschwinden will. Will hoffen, dass das bis zum Start noch besser wird.

Hoffnung ist eine gute Sache.

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