Lauftagebuch

Liebe, Laufen, Zusammenhalt

Kürzlich wurden wir auf einem Familienfest mit der Frage konfrontiert, was uns als Familie ausmacht. Wesentlich schneller und treffender als ich es selbst nach längerer Überlegung hätte formulieren können, brachten es unsere Kinder in aller Kürze und ohne groß darüber nachzudenken auf den Punkt: Liebe, Laufen, Zusammenhalt!

Laufen gleichberechtigt zwischen Liebe und Zusammenhalt – so treffend es bei genauerer Betrachtung ist, so sehr überraschte es mich, dass mein Hobby seinen Platz in der Reihe der Dinge hatte, die unsere Familie begründen. Aber war es wirklich nur mein Hobby? War es nicht vielmehr in den letzten Monaten zu unserem Hobby geworden?

Laufen färbt ab

Die Aussage der Kinder, gab darauf eigentlich schon die Antwort und zeigte, welchen Stellenwert das Laufen aus ihrer Sicht in unserer Familie hat. Dabei hatten wir es nie willentlich in den Mittelpunkt gerückt und waren immer bemüht, so wenig Familienzeit wie möglich dem Laufen zu opfern. Aber natürlich muss man Kinder nicht dazu anhalten, ebenfalls mit dem Laufen zu beginnen, Kinder ahmen nach. Da kann man seine Laufeinheiten noch so sehr in die Morgen- oder Abendstunden legen, spätestens am Wochenende, wenn alle mit dem Frühstück warten, bis ich von meinem Longrun komme, bekommet jeder mit, was ich tue.

Und einen Hehl machen wir aus unserem Hobby auch nicht. Im Gegenteil: Gerne erzähle von meinen Läufen, weil ich teilen möchte, was mich am Laufen begeistert, was mich bewegt. Erzähle von den lustigen Seiten des Laufens, den wundervollen Momenten genauso wie von den ernüchternden. Erzähle Geschichten darüber, wie ich mich mitten in der Stadt notdürftig in die Büsche schlagen musste und plötzlich und eine Frau vor mir stand, die auf dem Weg zum Bäcker war, wie ich eines Morgens einem ausgewachsenem Hirsch gegenüberstand, wie ich den Sonnenaufgang beobachtet habe, was in einem Wettkampf passiert ist. Es sind keine tiefgründigen Geschichten, eher kleine Anekdoten, aber sie die Kinder mögen sie. Meistens. Oder sie sind gute Schauspieler.

Papa läuft, Mama läuft. Laufen gehört wie selbstverständlich zum Alltag. Das ist es, was sie sehen und erfahren. Und je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr Indizien finde ich dafür, wie unsere Laufleidenschaft – wenn auch nicht willentlich – auf alle abfärbt. Komme ich nach Hause, ist eine der Standardfragen unseres Jüngsten: „Papa, warst du laufen?“ Ist er mal nicht so gut auf mich zu sprechen, schlägt er vor, ich könne ja laufen gehen. Dukelhäutige Sportler sind für ihn „Pikchoge“ und auch sein Kuscheltier ist nach Eliud Kipchoge benannt.

Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm

Es gibt sogar Verhaltensweisen, die allmählich abfärben. So bat uns unser ältestens Kind zuletzt, den letzten Kilometer nach einem Ausflug nach Hause laufen zu dürfen. Der Apfel fällt eben nicht weit vom Stamm. Dass ich in der Regel eine Extraportion esse oder auch zwischendurch mal eine Cola trinke, begleiten die Kinder gerne mal mit der Wiederholung dessen, was wir ihnen einst als Erkärung an die Hand gegeben haben: „Papa ist so weit gelaufen, dass er jetzt etwas mehr essen muss.“ Das ist ihnen bereits in Fleisch und Blut übergegangen.

All das ist aber nur Beiwerk und hätte alleine nicht ausgereicht, um Laufen den Stellenwert zu geben, den ihm die Kinder zugedacht haben. Ich bin überzeugt, dass die gemeinsamen Wettkämpfen der springende Punkt sind. Und neuerdings unsere ersten gemeinsamen Trainingsläufe, die wir ganz behutsam eingeführt haben, weil es von den Kindern eingefordert wurde. Seit alle endlich alt genug sind, treten wir seit dem letzten Jahr geschlossen bei Laufveranstaltungen an, unterstützen und feuern uns gegenseitig an. Das schweißt zusammen und macht das Laufen zum gemeinsamen Hobby. Es ist nicht länger das seltsame Hobby eines einzelnen oder beider Eltern, es ist etwas, was wir teilen, auf das wir uns freuen und das wir als Familie machen – und uns eben auch als Familie ausmacht. Wie hatte ich das übersehen können? Es ist doch ganz offensichtlich. Wie gut, dass man Kinder hat.

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